Otto von Bismarck betrieb seit der Zeit des preußischen Verfassungskonfliktes eine Politik der Einigung Deutschlands. Damit wollte er auf seine Seite auch einen Großteil seiner liberalen Feinde ziehen. Nach den Kriegssiegen im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 und über Österreich im Deutschen Krieg von 1866, war sich Bismarck über den Erfolg seiner politisch gut durchdachten Strategie bewusst. Automatisch stieg in der öffentlichen Meinung sein Ansehen, vor allem bei den Liberalen. Die Spaltung des politischen Liberalismus war eine Folge seiner Politik. Die Liberalen, die Bismarcks Politik unterstützten, gründeten die Nationalliberale Partei. Diese Partei unterstütze die Politik von Bismarck. Eine von Bismarcks einstudierte Geste war die Proklamation in Versailles, wo der preußische König durch die Fürsten zum Deutschen Kaiser proklamiert wurde. Diese Proklamation machte eines ganz klar: Das Deutsche Reich war ein Fürstengeschenk an das Volk und konnte genauso wieder zurückgenommen werden.

Die Vereinigung Deutschlands hätte wahrscheinlich auch ohne Otto von Bismarck stattgefunden, jedoch sicher nicht auf demselben Weg und zum selben Zeitpunkt. Bismarck strebte ein unter der preußischen Führung geeinigtes Deutschland an, aber seiner Überzeugung nach musste die Einigung der Teilstaaten Deutschlands durch eine einstimmige Entscheidung aller deutscher Landesfürsten „von oben“ erfolgen. Die Einigung sollte keinesfalls durch eine liberale und nationale Volksbewegung in Gang gesetzt werden, wie in den Jahren der Revolution von 1848/49. Bismarck musste bei der Durchsetzung seiner Einigungsstrategie eine Reihe Widerstände überwinden.

Otto wurde zum preußischen Ministerpräsident im September 1862 ernannt, als sich gleichzeitig der preußische Verfassungskonflikt auf dem Höhepunkt befand. Hier stritt um die Durchführung einer Heeresform eine Mehrheit mit dem König zusammen. Somit hatte Bismarck einen Großteil des Abgeordnetenhauses gegen sich, wo über 2/3 der Stimmen seine liberalen Gegner verfügten. Folglich musste Bismarck mindestens einen Teil der Liberalen im Parlament für sich gewinnen, um seine Einigungspläne realisieren zu können. Und das gelang ihm nach den Kriegessiegen im Deutsch-Dänischen Krieg sowie im Deutschen Krieg. Durch die Siege lösten sich nationale Hochgefühle aus und ein allgemeiner positiver Wandel in Bezug auf die Einigungspolitik von Bismarck vollzog sich im öffentlichen Bewusstsein.

Das Urteil über Bismarck wandelte sich auch bei den führenden Liberalen im Parlament und plötzlich wurde Bismarck zu einem Staatsmann mit Format. Früher bezeichnete man ihn als reaktionären Konfliktminister. Schließlich brach im Abgeordnetenhaus die Opposition der Liberalen auseinander und Schuld daran war die Frage in Bezug auf die Haltung zur Einigungspolitik von Bismarck. Daraufhin wurde der Liberalismus gespaltet. Die Nationalliberale Partei gründeten im Juni 1867 diejenigen Liberalen, die Bismarck und seiner Politik folgten, wobei deren oberstes Ziel Deutschlands Einigung nach Bismarcks Vorstellungen war.

Somit stellten die Nationalliberalen vor die bisher favorisierte Freiheit die Einheit in Deutschland. Ihre soziale Basis fanden sie im aufstrebenden deutschen Bürgertum, protestantischen Bildungsbürgertum, bei Bankiers und Unternehmern. Sie schwächten mit ihrer Unterstützungspolitik für Bismarck die gesamte deutsche liberale Bewegung und Deutschland entwickelte sich zum Obrigkeitsstaat, in dem alle sozialistischen, demokratischen und liberalen Strömungen verfolgt und ausgeschaltet wurden, um die Monarchie zu erhalten. Bismarck hielt selbst nicht so viel von Parteien und nutzte sie nur, um sie gegeneinander auszuspielen und somit die eigenen Ziele zu erreichen, was ihm auch gelungen ist – die Vereinigung Deutschlands.